BARF statt FANG?

 

„Cave Idus Martias; Hüte dich vor den Iden des März“

Warnung an Gaius Julius Caesar am Tage vor seiner Emordung

 

Die internationalen Börsenplätze entfachten in den ersten Handelswochen des aktuellen Jahres ein wahres Kursfeuerwerk: Tag um Tag schossen die Notierungen empor, sodass die kumulierten, prozentuellen Kursgewinne mit Ende Januar bereits nahezu den Erträgen eines durchschnittlichen, vollständigen Kalenderjahres entsprachen. Es war daher nur eine Frage der Zeit, bis die notwendige, ja geradezu unvermeidliche Korrektur eintrat: Mit einem Schlag entluden sich die während der langen, schwankungsarmen Monate aufgestauten Spannungen in einem jähen Einbruch, der während einiger Handelsstunden geradezu in einen freien Fall mündete. Der Dow Jones sank innerhalb weniger Minuten um mehr als 1000 Indexpunkte und dieselben Anleger, die nur wenige Tage zuvor in einer Kaufpanik die Aktiennotierungen in die Höhe trieben, warfen ihre Anteilsscheine ohne Zögern aus ihren Depots.

Die folgenden Wochen lieferten zwar die weithin erwartete Erholungswelle, die in den letzten Jännertagen verzeichneten Höchststände wurden jedoch bis heute nicht mehr erreicht. Anleger sollten sich also die Frage stellen, ob die grundlegenden Rahmenbedingungen, die 2017 zu einem der besten Aktienjahre krönten, auch in diesem Jahr ihre Gültigkeit behalten haben?

Die Iden des März sind tückisch und voller trügerischer Untiefen: Diejenigen, deren Schritte unsicher, deren Blick unstet und deren Reise ziellos ist, können leicht ihren Halt verlieren und vom unaufhaltsamen Sog der Ereignisse, die sich der Kontrolle eines Einzelnen entziehen, in die Tiefe gezogen werden.

Im März des Jahres 2000 endete der sich über Jahre beschleunigende, von einer irrationalen Euphorie des Überschwanges befeuerte, Kursanstieg der New Economy Blase. Im März des Jahres 2003, als die amerikanischen Panzer Richtung Bagdad rollten und die Statuen Saddam Husseins zu wanken begannen, wurden die letzten zittrigen Hände aus ihren Aktienengagements gedrängt und ein erneuter Börsen- und Wirtschaftsaufschwung begann. Vor genau 10 Jahren, in den Iden des März 2008, fiel mit Bear Stearns eine der namhaftesten Investmentbanken und eine der Ikonen der Wall Street. Ihr Zusammenbruch war das bloße Vorspiel, die Ouvertüre zum großen, finalen Hauptakt, der Börsen und Finanzkrise des Jahres 2008 und der darauf folgenden Großen Rezession. Im März des Jahres 2009, dank des couragierten Handels einiger weniger und eines inzwischen selten gewordenen überparteilichen Konsens zwischen Demokraten und Republikanern, wurde die Talsohle dieser Krise erreicht und ein erneuter, wenn auch zaghafter und schleppender Aufschwung begann.

Nun, genau 9 Jahre später, haben wir erneut die Iden des März durchschritten, haben erneut die angsterfüllenden Prophezeiungen der immerwährenden, unbelehrbaren Pessimisten vernommen oder uns von den strahlend hellen, rosigen Verheißungen der unbeirrbaren, niemals zweifelnden Optimisten blenden lassen. Ein weiterer möglicher Pfad, ein dritter, in eine völlig andere Richtung weisender Weg, findet unter den Anlegern und Strategen zu wenig Aufmerksamkeit:
Über Jahre hinweg kletterten die Börsenkurse und Unternehmensgewinne nahezu synchron und unaufhaltsam in schwindelerregende Höhen, Wall Street feierte und zugleich versank Main Street in tiefer Depression. Dividenden und Renditen schwollen zusehends an, Sparzinsen und Lohneinkommen stagnierten auf niedrigen Niveaus.

Nun, da die weltweit größten Wirtschaftsräume im Gleichschritt in den Wachstumsmodus wechseln, nun, da die amerikanische Wirtschaft endlich ihre verloren geglaubte Wachstumsdynamik wiederfindet, könnte der Punkt erreicht sein, an dem sich die Wege von Wall Street und Main Street erneut kreuzen und eine konträre Richtung einschlagen:
Neben den stetig wachsenden Gewinnen bildete die expansive Notenbankpolitik und die damit einhergehenden Niedrigzinsen einen der Grundpfeiler des Börsenaufschwunges. Ein sich beschleunigender Wirtschaftsaufschwung könnte, da sich die amerikanische Volkswirtschaft immer mehr ihrem tatsächlichen Wachstumspotenzial annähert, schneller steigende Zinsen, Löhne und Inputkosten nach sich ziehen.

Die nun geringere Steuerbelastung und höhere Wachstumsdynamik werden das Kapital statt in Aktienrückkaufprogramme und aktionärsfreundliche Dividendenerhöhungen immer öfter auch in eine Ausweitung der Investitionsausgaben, in neu geschaffene Stellen, Expansionen und Lohnerhöhungen lenken. Steigende Wachstumsraten bedeuten eine Verknappung des Arbeitskräftepotenzials, steigende Löhne und Gehälter gehen des Öfteren zu Lasten der Gewinnquoten.

Viele Anleger und Investoren glauben fälschlicherweise, dass Wirtschafts- und Börsenentwicklung automatisch Hand in Hand gehen. Dies geschieht durchaus häufig, ein wahrhafter Wirtschaftsboom kann sich jedoch in vielen Fällen sogar als inkompatibel mit steigenden Aktienkursen erweisen. Noch ist dieser Punkt aller Voraussicht nach aber nicht erreicht, noch verfügt die Wirtschaft über ungenütztes Potenzial für weiteres Wachstum, das nicht zu Lasten der Aktienmärkte geht:
Die neue Führung der amerikanischen Notenbank zeichnet sich bisher durch ein umsichtiges Handeln aus, sie wird den Börsenaufschwung nicht vorsätzlich durch übereilte Zinserhöhungen gefährden. Der politische Kalender, mit den näher rückenden Kongresswahlen im November, lässt jedoch annehmen, dass die Turbulenzen am Kapitol und im Weißen Haus die Märkte nicht länger unbeeindruckt lassen werden. Die drohende Wahlniederlage der zerstrittenen Republikaner lässt im kommenden Jahr eine weniger wirtschafts- und börsenfreundliche Politik erwarten. Die soeben beschlossenen, erhöhten Einfuhrzölle auf Aluminium- und Stahlerzeugnisse stellen wohl nur das Vorspiel dar, den Hauptakt wird, wenn nicht ein veritabler Handelskrieg, eine zumindest gravierende Unstimmigkeit zwischen den Wirtschaftstitanen China und USA bilden.

Die FANG-Aktien (Facebook, Amazon, Netflix und Google) lieferten den entscheidenden Beitrag zum Börsenaufschwung der vergangenen Jahre. Die Technologieunternehmen verfügen in ihren jeweiligen Märkten über eine nahezu monopolartige Stellung, ihre Gewinnmargen und Wachstumsraten sind wahrhaft einzigartig. Im bisher vorherrschenden Umfeld der kaum vorhandenen Aufsicht und Regulierung florierten diese Unternehmen und bescherten ihren Aktionären märchenhafte Erträge. Diese wahrhaft paradiesischen Bedingungen nähern sich nun allerdings mehr und mehr ihrem Ende. Wie Microsoft Ende der 90er Jahre drohen Facebook und Google nun immer schärfere regulatorische Vorschriften, gleichzeitig trifft diese wachstumsstarken Unternehmen die Erhöhung der Markt- und Leitzinsen wie kaum eine andere Branche: Steigende Zinssätze bedeuten nichts anderes, als dass zukünftige Erträge mit immer höheren Diskontraten abgezinst werden müssen. Da die Gewinne der Technologiebranche aufgrund der exorbitanten Wachstumsraten zu einem großen Teil in der (fernen) Zukunft liegen, ist diese in einem überdurchschnittlich hohen Ausmaß von einem Zinsanstieg betroffen. Das Umfeld des Jahres 2018 und des kommenden Jahres 2019 ist das einer Wirtschaft und Börse im Spätherbst ihrer Blütezeit. Steigende Zinsen, langsam aber stetig zunehmende Inflationsraten und ein schwächer werdender US-Dollar begünstigen eine Branche, deren bloße Erwähnung bei Anlegern in den vergangenen Jahren Übelkeit und Brechreiz hervorrief:
Minen- und Rohstoffwerte, zusammengefasst unter dem vielsagenden Akronym BARF (BHP Billiton, Anglo American, Rio Tinto und Freeport McMoRan), bieten interessierten Anlegern die Chance auf überdurchschnittlich hohe Kurszuwächse und attraktive Dividendenerträge. Eine Vielzahl von Faktoren trägt zu dieser günstigen Konstellation bei: Der reife Konjunkturzyklus, der Unternehmen zu vermehrten Investitions- und Erweiterungsausgaben veranlasst, verstärkt die Nachfrage nach Rohstoffen. Die anhaltende Schwäche des US Dollar begünstigt diesen Trend: Da Rohstoffe in Dollar gehandelt werden, ist ein sinkender Wechselkurs mit ansteigenden Rohstoffnotierungen gleichzusetzen. Positiv hervorzuheben ist zudem die Markt- und Preismacht dieser Unternehmen. Gestählt durch Jahre der Konsolidierung und Bilanzbereinigung sind sie nun schlank, profitabel und gewinnträchtig wie selten zuvor. Während die Preissetzungsmacht ihrer Abnehmer und Kunden äußerst gering ist, verfügen sie als faktische Monopolisten bzw. Oligopole in ihren jeweiligen Segmenten über eine dominierende Stellung und die Fähigkeit, Kosten bzw. Preiserhöhungen in vollem Ausmaß an ihre Abnehmer weiterzugeben.

Die erwähnten Minenunternehmen bieten nahezu alles, was sich ein eingefleischter Value Investor wünschen kann: Eine dominierende, marktbeherrschende Positionierung, stabile Erträge und Cash Flows sowie attraktive Dividendenrenditen. Das Akronym BARF darf und muss daher in den Wortschatz jedes Value Anlegers übergehen und sollte dort statt Übelkeit Lust auf außergewöhnliche Erträge erzeugen.