Die Wiener OPEC Konferenz tanzt (und reduziert die Fördermengen)
”The Christians had a better chance against the lions than the American consumer has against the OPEC cartel.“
Ed Markey; Demokratischer Senator des US – Bundesstaates Massachusetts
Der 30. November 2016 könnte als einer der bedeutendsten Tage in die Annalen der OPEC (Organisation erdölexportierender Länder) eingehen. Von vielen Beobachtern bereits totgesagt, als Papiertiger und Schatten ihrer einstigen Größe belächelt, beschloss die Ministerkonferenz der 13 OPEC Mitgliedsstaaten (Indonesien stellte seine Mitgliedschaft ruhend) in Wien eine signifikante Senkung der geplanten Ölfördermenge um rund 1,2 Millionen Barrel pro Tag. Zusätzlich wurde vereinbart, dass sich auch Nicht-OPEC-Mitgliedsstaaten, wie unter anderem Russland, an den Förderkürzungen beteiligen, sodass sich die Gesamtreduktion der Ölfördermenge, in Abhängigkeit vom exakten Kürzungsbeitrag Saudi Arabiens, auf rund 1,8 bis maximal 2 Millionen Barrel pro Tag beläuft.
Russland alleine sicherte Anfang Dezember verbindlich zu, seine tägliche Ölfördermenge um rund 300 000 Barrel pro Tag zu drosseln. An dieser Stelle sollte jedoch angemerkt werden, dass diese Reduktion nur schrittweise und über mehrere Monate erfolgen wird. Aufgrund der besonderen Witterungsbedingungen und des russischen Winters können die Ölunternehmen ihre Fördermengen nicht beliebig reduzieren, es ist aber zu erwarten, dass Russland seine Zusagen weitgehend einhalten wird.
Die auf die islamische Republik Iran bezugnehmenden Zahlen weisen offensichtlich einen Fehler auf, sie würden eine Senkung der Ölfördermenge um rund 178 000 und nicht um 90 000 Barrel, wie in obiger Tabelle angeführt, implizieren. Die OPEC Daten zeigen, dass Saudi Arabien und der Irak die entscheidendsten Beiträge zur erzielten Übereinkunft liefern. Sie kürzen ihre Fördermengen zusammengenommen um knapp 700 000 Barrel pro Tag und steuern somit gemeinsam bereits ein Drittel der insgesamt vereinbarten Förderkürzung bei.
Die sowohl von OPEC als auch Nicht-OPEC-Ländern erzielte Übereinkunft erscheint umso beachtlicher, wenn man die politischen und militärischen Rivalitäten zwischen den einzelnen Nationen in Betracht zieht. Russland und Iran unterstützen die syrische Regierung im Kampf gegen islamistische Terrorgruppen, während Saudi Arabien sunnitischen Extremisten finanziellen und logistischen Rückhalt gewährt. Irak und Venezuela erklären sich trotz ihrer erheblichen budgetären Schieflagen bereit, die Kürzungspolitik der OPEC mitzutragen.
Erstmals seit der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise des Jahres 2008 fördert die OPEC somit weniger Erdöl. Der seit nunmehr mehr als zwei Jahren anhaltende Verfall der Rohölpreise ist gestoppt, die neu entdeckte Disziplin und Solidarität der OPEC Nationen zeigen bereits ihre Wirkung an den Rohstoffmärkten. Die beiden Rohölsorten WTI (West Texas Intermediate) und Brent (Nordsee) verzeichneten ihre Tiefststände bereits im Jänner 2016, als Rekordtiefs von unter 30 Dollar je Barrel erreicht wurden. Seitdem führte ein stetiger, wenn auch volatiler Anstieg die Preise wieder über die Schwelle von 50 Dollar.
Die OPEC-Mitgliedsländer beteuern offiziell zwar vehement, der Rohölpreis solle sich im freien Spiel der Kräfte von Angebot und Nachfrage bilden, es ist jedoch offensichtlich, dass sie mehrheitlich Ölpreise von zumindest 60 Dollar und mehr anstreben. Das ursprüngliche Ziel, das ausschlaggebend für die Ausweitung der Fördermengen in den Jahren 2014 und 2015 war, nämlich Frackingunternehmen zu schwächen und Produzenten mit hohen Förderkosten aus dem Markt zu drängen, wurde zumindest teilweise erreicht. Dieser Pyrrhussieg hatte jedoch einen hohen, womöglich zu hohen Preis: Die Staatsverschuldung der einst so wohlhabenden Ölnationen explodierte regelrecht, kostspielige Wirtschafts- und Sozialprogramme konnten in Zeiten sinkender Ölpreise plötzlich nicht mehr finanziert werden. Während Saudi Arabien beispielsweise Ölförderkosten von geschätzt weniger als 10 Dollar pro Barrel aufweist, sind die wahren Förderkosten, inklusive aller verbundenen sozialen Kosten, deutlich höher. Den Frackingunternehmen gelang es zugleich, ihre Förderkosten auf teilweise unter 40 Dollar pro Barrel zu reduzieren. Sie können marktwirtschaftlich agieren, ihre Kostenstruktur verschlanken und ihre Wettbewerbsfähigkeit dramatisch verbessern.
Die am Nachmittag des 30. November 2016 erzielte Einigung ist somit auch eine teilweise Kapitulation der Staaten vor den Kräften des freien Marktes. Sie erkennen, dass eine fortgeführte Politik der Konfrontation selbstmörderisch wäre und akzeptieren, dass sie nicht mehr wie bisher alleine das Schicksal des Ölmarktes zu lenken vermögen. Die Zeiten von Ölpreisen weit jenseits der 100 Dollar Marke sind somit, vielleicht für sehr lange, vorüber.