Notenbankpolitik

 

Nicht zu heiß und nicht zu kalt

 

Während Goldlöckchen in ihren Bettchen schläft und von ihrem Brei isst, wandern die drei Bären nichtsahnend durch den dunklen Wald. Sie durchstreifen langsam das Gebüsch und warten darauf, dass ihr köstlicher Brei genau die richtige Temperatur bekommt, denn er soll nicht zu heiß sein, aber auch nicht zu kalt.

Fast genau so sensibel wie die drei Bären in der Märchenerzählung von Robert Southey sind die internationalen Kapitalanleger, die voller Aufmerksamkeit jeder Silbe der Präsidentin der amerikanischen Notenbank lauschen. Janet Yellen muss die gesamte ihr zur Verfügung stehenden Kunstfertigkeit als Köchin ausschöpfen, denn der Brei, den sie den sensiblen Feinschmeckern und Börsengourmets serviert, muss exakt die gewünschte Temperatur und Konsistenz aufweisen, um beim geneigten Publikum keine Magenverstimmung hervorzurufen.

Diese Woche war es wieder soweit: Mit nur einer Gegenstimme verabschiedete der Offenmarktausschuss der Fed die erwartete Erhöhung der Leitzinsen um 25 Basispunkte auf eine neue Bandbreite von 75 bis 100 Basispunkte. Während die restlichen Notenbanken ihren expansiven Kurs beibehalten, steuert die Fed schrittweise auf eine Normalisierung ihrer Geldpolitik zu. Anleger sollten die weiteren Schritte nun genau beobachten: Derzeit sind für das Jahr 2017 zwei zusätzlich Zinserhöhungen, jeweils um 25 Basispunkte, erwartet und im Markt eingepreist. Wächst die amerikanische Wirtschaft schneller, oder steigt die Inflation stärker an als bisher erwartet, könnte Janet Yellen die Leitzinsen rascher anheben, in diesem Fall müssten Anleger 2017 mit insgesamt 4 Zinserhöhungen rechnen.

Entscheidend für die Kapitalmärkte sind jedoch weniger die absoluten Änderungen in der Zinspolitik, die Divergenzen zu den Maßnahmen der restlichen Notenbanken sind es, die an den Börsen für Unruhe sorgen. Die EZB setzt derzeit ungebremst ihren Kurs der Geldmengenausweitung fort, ebenso die britische und die japanische Notenbank. Da jedoch zahlreiche internationale Schuldner erhebliche Dollar Verbindlichkeiten aufweisen und diese auch refinanzieren müssen, ist jede Zinserhöhungskampagne der Fed mit signifikanten Risiken verbunden. Anleger, die davon ausgehen, dass Janet Yellen sich nicht von ihrer Politik der schrittweisen Leitzinsanhebung abbringen lässt, können auf fallende Kurse in besonders stark betroffenen Regionen setzen. Zu den Märkten, die am stärksten verwundbar sind, zählt unter anderem die Türkei. Sie weist eine hohe Auslandsverschuldung, verbunden mit einem Handels- und Zahlungsbilanzdefizit, auf, ihre Unternehmen sind zu großen Teilen in Fremdwährungen verschuldet.

Ein starker Anstieg der Dollar Zinssätze in Verbindung mit fortgesetzten politischen Turbulenzen kann zu deutlichen Kurseinbrüchen an den Aktienmärkten führen. Janet Yellens Gerichte mögen den robusten, wohl erprobten Mägen des heimischen Publikums zwar vorzüglich munden, ausländische Anleger könnten jedoch bereits beim Gedanken an ihre Kochkunst ein flaues Gefühl in der Magengegend verspüren.