Stürmische Zeiten an den Börsen

 

Mit voller Wucht brach Ende August Hurricane Harvey über den US-Bundesstaat Texas herein, überflutete mit seinen sintflutartigen Regenfällen weite Landstriche und Metropolen wie Houston. Den Bewohnern der südlichen Bundesstaaten bleibt kaum eine Atempause: Am zweiten Septemberwochenende nähert sich ein gewaltiger Sturm der Millionenmetropole Miami, dessen Ausdehnung, Windgeschwindigkeiten und Zerstörungskraft sogar den Wirbelsturm Andrew, der im August des Jahres 1992 Florida verwüstete, in den Schatten stellen. Gleichzeitig brauen sich über den warmen Gewässern des atlantischen Ozeans bereits zwei weitere Stürme, Jose und Katia, zusammen, die eine zusätzliche Bedrohung für Mexiko und die USA darstellen.
Stürmische Zeiten also, nicht nur für die unmittelbar von den Auswirkungen dieser unvorstellbaren Naturgewalten betroffenen Menschen, sondern auch für die internationalen Börsenplätze. Hurricane Harvey verursachte, weniger durch die Stärke der Sturmböen, sondern vielmehr durch die enormen Regenmengen, Flutschäden von wahrscheinlich mehr als 100 Milliarden Dollar. Irma, unaufhaltsam Richtung Miami steuernd, wird diese Schadenshöhe mit hoher Wahrscheinlichkeit deutlich übertreffen, Zahlen im Bereich von 150 Milliarden Dollar machen bereits die Runde.
Anleger müssen sich nun auf einen stürmischen Herbst vorbereiten und sich die Frage stellen, welche kurz- und mittelfristigen ökonomischen Auswirkungen einkalkuliert werden müssen: Da das Wirtschaftsleben in den Tagen der unmittelbaren Sturmeinwirkung in den betroffenen Gebieten nahezu vollständig zum Erliegen kommt, ist für das laufende Quartal auch mit negativen Auswirkungen auf das landesweite Wirtschaftswachstum zu rechnen. Florida und Texas gehören zu den bevölkerungsreichsten und wohlhabendsten US-Bundesstaaten, die Wirtschaftsleistung des Bundesstaates Texas alleine macht etwa rund 10 Prozent der gesamten Vereinigten Staaten aus. Nachdem diese unmittelbaren, negativen Effekte verklungen sind, wird es jedoch, im Zuge des Wiederaufbaus der zerstörten Gebiete und der notwendigen Instandsetzungsarbeiten, zu positiven Aufholeffekten kommen. Im vierten Quartal des laufenden sowie im ersten Quartal des Folgejahres ist daher sogar mit einer Beschleunigung der Wachstumsraten zu rechnen.
Die Ursachen dieses Phänomens liegen unter anderem in der Art und Weise begründet, mit der die wirtschaftliche Entwicklung gemessen und erfasst wird: Da das BIP ausschließlich Stromgrößen wie die Produktion von Gütern und Dienstleistungen erfasst, die zerstörten Bestände und Vermögenswerte jedoch nicht in Abzug gebracht werden, bringen derartige Katastrophen in der Regel sogar positive Wachstumseffekte mit sich. Um eine Analogie zu gebrauchen: Im BIP werden die Auswirkungen der Reparatur einer zerschlagenen Fensterscheibe positiv erfasst, der zerstörte Gegenstand jedoch nicht negativ als Vermögenseinbuße in Abzug gebracht.
Können nervenstarke Value Anleger durch gezielte Investitionen in einer derartigen Situation ihr Kapital vermehren oder zumindest größere Verluste vermeiden? Wir möchten Ihnen an dieser Stelle zwei Value Aktien vorstellen mit denen Anleger auch einen stürmischen und wechselhaften Börsenherbst heil überstehen:

 

BP (ISIN GB0007980591):

Da BP im Gegensatz zu zahlreichen amerikanischen und internationalen Konkurrenten über keine Raffinerien in den wirbelsturmgefährdeten Gebieten verfügt, wird das Ölunternehmen kaum durch Produktionsausfälle beeinträchtigt. Die Ölplattformen im Golf von Mexiko mussten bis dato nicht evakuiert werden und fördern weiterhin planmäßig Öl. Aufgrund der Ausfälle zahlreicher großer Raffinerien von Konkurrenzunternehmen kam es in den vergangenen Tagen (da diese nun als Abnehmer von Rohöl ausfallen) zu deutlichen Preisrückgängen der amerikanischen Ölsorte WTI. Gleichzeitig stiegen die Preise für Endprodukte, wie beispielsweise Benzin oder Kerosin, signifikant an. Dies bedeutet für BP, dass das Unternehmen überdurchschnittlich hohe Raffineriemargen vereinnahmen kann, es gehört somit zu den wenigen Profiteuren der aktuellen Wetterlage.

BP erwirtschaftet darüber hinaus, nach Jahren der Restrukturierung und Neuausrichtung, erstmals bereits bei Rohölpreisen von rund 50 Dollar pro Barrel positive Erträge. Der operative Cashflow wird im Jahr 2017, vorausgesetzt die Ölpreise brechen nicht ein weiteres Mal ein, ausreichen, um sowohl Investitionen als auch Dividendenzahlungen zu finanzieren.
Die BP Aktie bietet dem Anleger eine höchst attraktive Dividendenrendite von derzeit knapp 6,7 Prozent, das für das Jahr 2017 geschätzte KGV ist mit einem Wert von rund 17 vergleichsweise günstig und bietet Raum für steigende Kurse.

 

General Motors (US37045V1008):

Der US-Automarkt befindet sich nach zahlreichen Rekordjahren erstmals auf Talfahrt. Die amerikanischen Geschäftsbanken schränken, aufgrund steigender Ausfallsraten bei Autokrediten die an Kreditnehmer mit geringer Bonität vergeben wurden (so genannte Subprime Kredite), ihre Kreditvergabe deutlich ein. Die logische Konsequenz: Da die Autohersteller aus vielen Gründen kaum dazu in der Lage sind ihre Produktionsraten kurzfristig nach unten anzupassen, kommt es zu einem erheblichen Anstieg der unverkauften Autobestände. Im Frühsommer kletterte die Menge an unverkauften, auf den Parkplätzen der Händler auf Kunden wartenden Fahrzeugen, auf das Äquivalent von 110 Verkaufstagen. Auch im Falle eines völligen Produktionsstillstandes wären somit, bei gleichbleibender Nachfrage, zumindest 110 Tage vergangen, bis die Bestände vollständig an Endkunden veräußert worden wären. Ein historisch üblicher Durchschnittswert wären rund 60 bis maximal 80 Tage.
Doch dann kam Hurricane Harvey und zerstörte durch massive Flutschäden alleine im Raum Houston mindestens 500.000 Fahrzeuge. Irma könnte in Florida Schäden in ähnlicher Größenordnung verursachen. Mit einem Schlag wurde somit, durch einen Akt höherer Gewalt, das Problem der überhöhten Fahrzeugbestände gelöst. General Motors ist nicht länger gezwungen seine Produktion zu drosseln, der Preisdruck am Markt für Gebraucht- und für Neuwagen nimmt schlagartig ab und all jene Prognosen, die einen Gewinneinbruch der Autohersteller vorhersagten, sind mit einem Mal obsolet.
General Motors sollte im aktuellen Umfeld somit keine Probleme haben, die Gewinnschätzungen der Analysten für das laufende Geschäftsjahr zu erfüllen. Im kommenden Jahr werden zahlreiche Produktneuheiten ihren Weg in die Verkaufsräume der Fahrzeughändler finden und die Nachfrage beflügeln. Mit einem KGV von weniger als 6 und einer Dividendenrendite von mehr als 4 Prozent stellt die General Motors Aktie eine wahre Kaufgelegenheit für Value Investoren dar. Die Auswirkungen der Wirbelsturmsaison federn zusätzlich die negativen Konsequenzen einer temporären Abschwächung des US-Automarktes ab.