Zwei Giganten auf tönernen Füßen – Teil 2

 

„I see their missiles. east and west
and they’re pointing straight at you
they are rearming to be the best
and there is nothing you can do“

Pretty Maids, Battle of Pride

„The only winning move is not to play.“

Joshua, WarGames

 

Gesicherte gegenseitige Vernichtung, auch bekannt unter dem Akronym MAD (mutually assured destruction), ist die wohl berüchtigtste und bekannteste Militärdoktrin aus der Zeit des Kalten Krieges.
Die kalte, militärische Logik dieser Strategie ist verblüffend einfach und kann aus spieltheoretischen Konzeptionen abgeleitet werden: Die UDSSR wusste, dass ein nuklearer Erstschlag einen unverzüglich und automatisch erfolgenden Gegenschlag der USA auslösen würde, der selbst dann, wenn der eigene Erstschlag „erfolgreich“ durchgeführt würde, in einer sicheren Vernichtung des eigenen Territoriums resultieren würde. Demzufolge würde dieser atomare Erstschlag – sofern man bei beiden Konfliktparteien jeweils von rational agierenden Individuen ausgeht – niemals stattfinden, das sich ergebende Gleichgewicht des Schreckens würde einen dauerhaften Frieden sicherstellen.

In einer ähnlichen Konstellation – wenn auch zum derzeitigen Zeitpunkt rein ökonomischer Natur – befinden sich derzeit die beiden größten Wirtschaftsnationen dieses Planeten, die Vereinigten Staaten von Amerika und die Volksrepublik China.
Marktbeobachter und Börsenkommentatoren sprechen allerorts von Handelskonflikten und potenziell eskalierenden Auseinandersetzungen, doch die überwiegende Mehrheit scheut sich, den Status quo klar und deutlich zu benennen: Die USA und China befinden sich in einem Handelskrieg, einem Handelskrieg, der sich seit Monaten Schritt für Schritt ausweitet und bereits in naher Zukunft weiter eskalieren wird.
Dieser heiße Handelskrieg ist das Resultat eines jahrzehntelang schwelenden Kalten Krieges. In einer Periode des Goldrausches investierten amerikanische Firmen bereitwillig in den vielversprechenden Wachstumsmarkt China und die amerikanische Regierung sah – großteils tatenlos – dem Diebstahl geistigen Eigentums, zahlloser Erfindungen und Patente sowie den erzwungenen Technologietransfers an chinesische Geschäftspartner und nicht zu Letzt den erzwungenen Gründungen von Joint Ventures mit mehrheitlich chinesischen Geschäftspartnern zu. Beide Seiten billigten, ermutigten und akzeptierten letztendlich einen Dauerzustand der Rechtlosigkeit, des ökonomischen Raubrittertums und des Betrugs an den unzähligen betroffenen amerikanischen Arbeitern, die zu Kollateralschäden dieses Kalten Krieges wurden.

Dieser Handelskrieg hat bereits vor Jahrzehnten, spätestens jedoch mit dem Eintritt Chinas in die Welthandelsorganisation WTO begonnen, er wurde bisher bloß nur von einer einzigen Partei geführt, nämlich der Volksrepublik China, geführt. Nun, da die chinesische Regierung unverhohlen die totale und globale ökonomische Vorherrschaft in allen zukunftsweisenden, strategischen Wirtschaftssegmenten anstrebt, sind die USA bereit, in einen von zwei Parteien geführten Konflikt einzutreten.

Dieser Konflikt ist jedoch alles andere als einfach zu gewinnen, das Ergebnis alles andere als vorhersehbar, er wird mühselig, langwierig und äußerst kräfteraubend sein. „Nichts anderes kann ich euch versprechen als Blut, Schweiß und Tränen“, mit diesen Worten trat einst Winston Churchill vor das britische Volk, diese mahnenden Worte sollten auch jetzt alle Marktteilnehmer und politischen Akteure deutlich in ihren Ohren behalten.

Seit knapp einer Woche sind die von den USA eingehobenen Strafzölle auf chinesische Importe in Kraft, ebenso lange wirken bereits die chinesischen Vergeltungszölle. In naher Zukunft ist damit zu rechnen, dass US-Präsident Donald Trump die restlichen Importe im Wert von etwa 270 Milliarden Dollar mit Strafzöllen belegen wird. Die amerikanische Volkswirtschaft wächst und gedeiht – vor allem dank der Anfang 2018 in Kraft getretenen Steuerreform – wie kaum jemals zuvor, die stetig steigenden Zölle drohen in den kommenden Monaten jedoch zu einer echten Belastungsprobe für Unternehmer und Aktionäre zu werden. Stahl- und Aluminiumimporte sind bereits seit rund einem halben Jahr mit erhöhten Zollsätzen belastet. Da derzeit keine Einigung in den NAFTA-Verhandlung in Sicht ist, stehen bald auch Kanada schmerzhafte Zollabgaben ins Haus.

Der Aktienmarkt droht in diesem Szenario in einen zermürbenden Mehrfrontenkrieg zu geraten. Während die amerikanische Notenbank im Quartalsrhythmus ihre Leitzinsen anhebt und die Kreditzinsen somit laufend steigen, sehen sich die Konsumenten, die mit ihren Ausgaben immerhin rund zwei Drittel der amerikanischen Wirtschaftsleistung ausmachen, mit steigenden Preisen und sinkenden verfügbaren Einkommen konfrontiert.

Das erhöhte Zins- und Kostenniveau macht sich bereits in zwei bedeutenden Wirtschaftssektoren, der Hausbau- und der Automobilbranche, negativ bemerkbar. Zusätzlich bedroht ein möglicherweise sinkendes Vertrauen der Unternehmer die künftigen Investitionsausgaben und somit eine der Hauptkomponenten der Unternehmenssteuerreform.

Der amerikanische Aktienmarkt ist aktuell – trotz der beachtlichen Kurszuwächse des laufenden Handelsjahres – fair bewertet und keinesfalls zu teuer. Legt man die durchaus realistischen Gewinnerwartungen für das laufende Jahr zu Grunde, notiert der amerikanische Leitindex S&P 500 derzeit mit einem erwarteten KGV (Ultimo 2018) von rund 18. Dieser Wert ist nicht allzu weit vom langjährigen Durchschnitt entfernt und vor allem in Hinblick auf das weiterhin niedrige Zinsniveau (die 10jährige Staatsanleihe rentiert mit rund 3 Prozent) durchaus vertretbar.

Eskaliert der Handelskrieg mit China weiter, ist das Kurspotenzial für das kommende Jahr 2019 sehr begrenzt, ein Mehrfrontenkonflikt mit den NAFTA-Staaten sowie der Europäischen Union dürfte die Gewinnerwartungen für das Jahr 2019 in einem Negativszenario um rund 5 bis maximal 10 Prozent reduzieren und eine deutliche Marktkorrektur provozieren. In unserem Basisszenario erwarten wir für das kommende Jahr Indexgewinne von rund 170 Dollar, dies lässt für das Jahresende 2019 einen Indexstand des S&P 500 von knapp 3100 Punkten erwarten, sofern man von einem unveränderten Bewertungsniveau (KGV 18) ausgeht. Der resultierende Kursgewinn von rund 6 Prozent (ausgehend vom aktuellen Indexstand von 2915 Punkten) entspricht in etwa dem langjährigen Durchschnittsertrag eines Aktieninvestments. Addiert man die erwarteten Dividendenzahlungen, ergibt sich ein erwarteter Ertrag von annähernd 8 Prozent.

Anleger sollten vor diesem Hintergrund – auch im Hinblick auf die bevorstehenden Kongresswahlen – keine größeren Neuengagements eingehen. Den im Basisszenario erwarteten Gesamterträgen von rund 8 Prozent steht die realistische Möglichkeit einer Marktkorrektur von 10 bis 20 Prozent gegenüber, welche langfristig orientierte Value Anleger für punktuelle Zukäufe nützen könnten.

Value Investoren, die vor dem Hintergrund möglicher Kursturbulenzen ein defensives Portfolio aufbauen möchten, bieten sich am amerikanischen Aktienmarkt zahlreiche interessante Kaufchancen. Der Telekomsektor etwa offeriert den Marktführer AT&T, deren Aktie mit einem KGV von rund 7 und einer Dividendenrendite von 6 Prozent notiert. Versorgeraktien wie die österreichische Verbund oder die britische National Grid bieten ebenfalls attraktive Bewertungsniveaus, verbunden mit einer anlagerfreundlichen Ausschüttungspolitik. Im Bereich der Basiskonsumgüter sind es Aktien wie Procter&Gamble und Kraft Heinz, die durch stabile Erträge und überdurchschnittliche Dividendenrenditen glänzen. Tabakaktien wie Philip Morris und Imperial Brands weisen ebenfalls einen defensiven Charakter auf und bieten auch in Zeiten handelspolitischer Konflike die Chancen auf steigende Erträge.